Triennale IIIKärnten 2023

Grenzüberschreitendes interdisziplinäres Kunstprojekt

Karin Prucha

*1964 in Wien (A)
Lebt und arbeitet in Klagenfurt / Celovec (A)

Projekte

Artist Statement

aus dem medea-zyklus

.krieg

prolog

der samt der verlorenen zeit

 

in den rost der vergangenen tage

fällt deine stimme

samtig weich auf die alten wunden

das sternenbemessene im tod

trotzt der leichtigkeit der geschlagenen flügel

von dannen geflogen

verfehlen sie ihre worte nicht

doch fehlt das stück der aufgerissenen wunde

in die blaue nacht getrieben

leuchten die wörter aus dem unterholz

der samt der verlorenen zeit

scheint durch den alabaster der meerestiefe

fängt den tauben vogel ein

in seine wunden rührt der geist die morgengabe

 

die wortlosigkeit der sprache

 

die atemlosigkeit der worte

ohne die pracht

der alten kultur

setzt das älteste gemetzel der menschheit

und das leben schachmatt

 

in den schwingen der wortscheide

tanzt unfassbares

morgenrot

auf toten köpfen

ihr wort

es lebt nicht mehr

ihr worte ihr

wer wird euch hören

in rost getönt

verblasst das gold

im hass

der erde anheim

fällt die letzte bastion

der menschlichkeit

 

flieg medea flieg

den aschenstaub zurückgelassen

das wehklagen

um die toten

die kinder

deine

durch fremde hand gemordet

wird deine trauer

niemals enden

noch

die legenden

um ihre tötung

den anderen blick

den du gebracht

unerwünscht

zu tode gedrängt

wer sich an deinem leib vergeht

weiß um die niederlage

nicht aber

wenn es deine kinder sind

ermordet am altar

der kriegsfürsten

die macht im visier

 

die strategie der umgedrehten wahrheit

als ziel

das die jahrhunderte überdauert

bis heute das wehklagen um die opfer

allein die erzählung ist eine falsche

der mord war anders

erbarmungslos

die falsche legende

ist geblieben

wer schaut in die geschichte

sieht den kampf um macht

und vorherrschaft

für das eigene system

das denen dient

die ihre klüngel

und ihr lügenleben

nicht aufgeben wollen

 

die macht trotzt jeder wahrheit

wie der krieg

allein der andere blick

ist über geblieben

doch auch nur

denen

die sehen wollen

 

skulpturenworte gegen den krieg

 

die kraft die macht der sprache

erschießt die frauen

räumt weg den müll

macht keinen sinn was aufzuheben

fahrt lieber in den krieg

auf panzern eingezäunte todesfugen

mit stacheln in den menschen

frauen bevorzugt

zum töten erschießen erniedrigen

bescheißen vergewaltigen

schwarz hat kassandra gesprochen

medea nahm das wort vorweg

und schlang es in ihren leib

kein aufhalten mehr

ziel getroffen

mitten ins herz

 

 

zur Ausstellung „Wortskultpuren“ von Marjeta Angerer-Guggenberger, geschrieben am 12.10. in der Ausstellung

 

artist statement

Das Ungerechte zu benennen und die Gerechtigkeit sichtbar zu machen, durch Kunst, das ist die rote Linie durch meine künstlerische (und gesellschaftliche) Arbeit.
Es sind die Frauen, die Jahrhunderte durch Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung erleben mussten und es noch tun. Es sind die Anderen, die nicht in einer Gesellschaftsnorm Normalen, die Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung erleben mussten und es noch tun. In Kärnten ist es die slowenische Volksgruppe, der Unrecht, Aussiedlung und Vernichtung widerfuhr.

Was ist das Eigene, das Andere, das Fremde –  in einem selbst, im eigenen Land? Was ist Heimat, was Identität? Es sind nicht nur die großen Themen in meinem letzten Buch Anderland I Druga dežela (der wolf verlag 2021), es findet sich wiederkehrend in meinen literarischen und künstlerischen Arbeiten.
Der Krieg – in einer Beziehung, zwischen Ländern, auch zur Natur – ein immerwährendes Thema, das leider seine Aktualität verschärft. Die Aufgabe der Kunst in meinem Verständnis – aufzeigen, Wunden öffnen und das Andere, das Totgeschwiegene, sichtbar machen. Wenn es notwendig ist, die alten Narben auftrennen, damit die scheinbare Ruhe Chance auf wirklichen Frieden hat. Und nicht die Wiederholung, sondern das Verlassen der Opferrolle, die aufnarbung der alten eingebrannten muster, ist mir wichtig. Wie öffnen sich die Grenzen im Kopf? Vorurteilsfrei.
Texte: Karin Prucha