Karin Prucha
*1964 in Wien (A)Lebt und arbeitet in Klagenfurt / Celovec (A)
Projekte
Artist Statement
aus dem medea-zyklus
.krieg
prolog
der samt der verlorenen zeit
in den rost der vergangenen tage
fällt deine stimme
samtig weich auf die alten wunden
das sternenbemessene im tod
trotzt der leichtigkeit der geschlagenen flügel
von dannen geflogen
verfehlen sie ihre worte nicht
doch fehlt das stück der aufgerissenen wunde
in die blaue nacht getrieben
leuchten die wörter aus dem unterholz
der samt der verlorenen zeit
scheint durch den alabaster der meerestiefe
fängt den tauben vogel ein
in seine wunden rührt der geist die morgengabe
die wortlosigkeit der sprache
die atemlosigkeit der worte
ohne die pracht
der alten kultur
setzt das älteste gemetzel der menschheit
und das leben schachmatt
in den schwingen der wortscheide
tanzt unfassbares
morgenrot
auf toten köpfen
ihr wort
es lebt nicht mehr
ihr worte ihr
wer wird euch hören
in rost getönt
verblasst das gold
im hass
der erde anheim
fällt die letzte bastion
der menschlichkeit
flieg medea flieg
den aschenstaub zurückgelassen
das wehklagen
um die toten
die kinder
deine
durch fremde hand gemordet
wird deine trauer
niemals enden
noch
die legenden
um ihre tötung
den anderen blick
den du gebracht
unerwünscht
zu tode gedrängt
wer sich an deinem leib vergeht
weiß um die niederlage
nicht aber
wenn es deine kinder sind
ermordet am altar
der kriegsfürsten
die macht im visier
die strategie der umgedrehten wahrheit
als ziel
das die jahrhunderte überdauert
bis heute das wehklagen um die opfer
allein die erzählung ist eine falsche
der mord war anders
erbarmungslos
die falsche legende
ist geblieben
wer schaut in die geschichte
sieht den kampf um macht
und vorherrschaft
für das eigene system
das denen dient
die ihre klüngel
und ihr lügenleben
nicht aufgeben wollen
die macht trotzt jeder wahrheit
wie der krieg
allein der andere blick
ist über geblieben
doch auch nur
denen
die sehen wollen
skulpturenworte gegen den krieg
die kraft die macht der sprache
erschießt die frauen
räumt weg den müll
macht keinen sinn was aufzuheben
fahrt lieber in den krieg
auf panzern eingezäunte todesfugen
mit stacheln in den menschen
frauen bevorzugt
zum töten erschießen erniedrigen
bescheißen vergewaltigen
schwarz hat kassandra gesprochen
medea nahm das wort vorweg
und schlang es in ihren leib
kein aufhalten mehr
ziel getroffen
mitten ins herz
zur Ausstellung „Wortskultpuren“ von Marjeta Angerer-Guggenberger, geschrieben am 12.10. in der Ausstellung
artist statement
Das Ungerechte zu benennen und die Gerechtigkeit sichtbar zu machen, durch Kunst, das ist die rote Linie durch meine künstlerische (und gesellschaftliche) Arbeit.
Es sind die Frauen, die Jahrhunderte durch Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung erleben mussten und es noch tun. Es sind die Anderen, die nicht in einer Gesellschaftsnorm Normalen, die Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung erleben mussten und es noch tun. In Kärnten ist es die slowenische Volksgruppe, der Unrecht, Aussiedlung und Vernichtung widerfuhr.
Was ist das Eigene, das Andere, das Fremde – in einem selbst, im eigenen Land? Was ist Heimat, was Identität? Es sind nicht nur die großen Themen in meinem letzten Buch Anderland I Druga dežela (der wolf verlag 2021), es findet sich wiederkehrend in meinen literarischen und künstlerischen Arbeiten.
Der Krieg – in einer Beziehung, zwischen Ländern, auch zur Natur – ein immerwährendes Thema, das leider seine Aktualität verschärft. Die Aufgabe der Kunst in meinem Verständnis – aufzeigen, Wunden öffnen und das Andere, das Totgeschwiegene, sichtbar machen. Wenn es notwendig ist, die alten Narben auftrennen, damit die scheinbare Ruhe Chance auf wirklichen Frieden hat. Und nicht die Wiederholung, sondern das Verlassen der Opferrolle, die aufnarbung der alten eingebrannten muster, ist mir wichtig. Wie öffnen sich die Grenzen im Kopf? Vorurteilsfrei.
Texte: Karin Prucha