Triennale IIIKärnten 2023

Grenzüberschreitendes interdisziplinäres Kunstprojekt

Luise Kloos

*1955 in Judenburg (A)
Lebt und arbeitet in Graz und Millstatt (A)

Ich steh im Mondeshof auf einer Sternenspitze – Transformationen in den Gedichten von Christine Lavant

Luise Kloos

Interview mit Annemarie Türk, Präsidentin der Internationalen Christine Lavant Gesellschaft

Für den Newsletter Internationale Christine Lavant Gesellschaft Mai 2023

Frage 1

In Ihrem breiten Oeuvre haben seit einiger Zeit auch Gedichte von Christine Lavant Platz gefunden. Aus einem Projekt, einer einzelnen Arbeit wurde eine Serie – erzählen Sie uns bitte von den Anfängen und wie sich das entwickelt hat.

 

Den Ausgangspunkt für meine Arbeit an Gedichten von Christine Lavant bildete eine Einladung zu einer Ausstellung der Gruppe 77 (deren Mitglied ich bin) in der Steirischen Landesbibliothek zum Thema „Buch“. Ich hatte kurz zuvor zufällig den Wiener Buchbinder Stefan Ortbauer kennengelernt, der nach mittelalterlicher Bindetechnik großformatige Buchobjekte gebunden hat, und in meiner Begeisterung erwarb ich sofort ein solches Objekt. Mein Ziel war es, für diese Buchausstellung die Idee der Buchmalerei aus dem Mittelalter aufzugreifen. Ein Gedicht von Christine Lavant erschließt sich dem Leser/der Leserin oft nicht sofort. Das Erfassen in seiner tiefen Bedeutung und in der Intimität beim Betrachten des Bildes zur Textzeile ermöglicht eine sehr persönliche Erfahrung von Literatur und Bild. So habe ich das Gedicht „Ich will das Brot mit den Irren teilen“ in 19 Bildern verarbeitet.

Frage 2

Was ist das Besondere für Sie an Christine Lavant?

Die Gedichte von Christine Lavant bewegen mich in mehrfacher Hinsicht. Abgesehen von der wunderbaren Sprache und den Worterfindungen spricht sie in Metaphern und Bildern. Sie spricht Intellekt und Gemüt gleichermaßen an. Ihre Literatur ist unerreicht. Tiefgründig erforscht und erschließt sie alle Winkel der Seele. Wenn Christine Lavant schreibt, sie hätte nur ihr Leben, über das sie schreiben könne, so öffnet sie mit ihrer Literatur allen Menschen eine tiefe Begegnung mit sich selbst und mit dem Potential der Transformation. Obwohl ihre Texte das Leidvolle und Schmerzliche beinhalten, bergen ihre Gedichte die Transformation und integriert das Potential der Erkenntnis in wunderbarer Weise. Sie lässt uns nicht im Gefühl des Schmerzes, des Kummers, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit, des Schreckens zurück, sondern schenkt uns mit den Transformationen immer wieder ganz und gar überraschende Einblicke in Möglichkeiten, neue Sichtweisen, humorvoll, durchdrungen von Leichtigkeit.

Frage 2

Jede dieser Arbeiten bezieht sich auf ein Gedicht – nach welchen Kriterien wählen Sie diese Gedichte aus? Was ist ausschlaggebend dafür, dass Sie dieses eine zum Gegenstand ihrer Arbeit machen?

 

Ich nehme mir seit 2015 jeden Sommer ein Monat Zeit, um ungestört an einem Gedicht von Christine Lavant zu arbeiten. Ich bereite lediglich die Materialien vor. Mit dabei habe ich die Gedichtbände. Wenn meine Arbeitsphase startet, dann erst beginne ich im Hinblick auf mein Vorhaben zu lesen und lasse mich „berühren und finden“. Es ist also mein persönliches Sein in dieser Phase, mein Gefühl für das Gedicht, was es mir im Augenblick sagen kann, sehr ausschlaggebend.

Frage 3

Sie arbeiten in den unterschiedlichsten künstlerischen Techniken, – welche in diesem Falle? Und warum?

Bei der Arbeit an den Buchobjekten – das sind fertig gebundene Bücher aus handgeschöpftem Papier im Format von 70 x 100 cm – muss ich mich sehr konzentrieren, denn ich kann kein misslungenes Bild verwerfen, ohne dass ich das gesamte Objekt verwerfe… Ganz zu Beginn habe ich verschiedene Proben mit den unterschiedlichsten Techniken versucht. Das Resultat war, dass sich am besten Acrylfarbe, Tusche und manchmal auch Bleistift eignet. Es ist vor allem das Papier selbst, das mir die Vorgaben macht. Bevor ich jedoch mit der Arbeit im Buch starte, mache ich zahlreiche Entwürfe, um ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln; Details können sich im Arbeitsprozess jedoch durchaus noch ändern. Und die Arbeit am Text selbst ist eine ganz wichtige Phase, die meistens acht bis zehn Tage Zeit in Anspruch nimmt. Manche Zeilen können oft auch mehrere Tage dauern, bis ich sie in ihrer Tiefe wirklich verstanden habe und ich dazu ein Bild entwickeln kann. Die Texte habe ich bis jetzt in zweierlei Versionen umgesetzt. In den ersten Buchobjekten habe ich die Texte mit ausgeschnittenen Buchstaben aus Tageszeitungen collagiert. Ich wollte einen visuellen Bezug zu der Zeit schaffen, in der die Gedichte entstanden sind. Ungefähr in dieser Zeit haben die Literaten begonnen, ihre Texte zu collagieren und so experimentell zu arbeiten. In einigen Buchobjekten habe ich die Texte mit der Hand geschrieben.

Frage 4

Hat dieses Projekt einen Anfang und ein Ende oder aber geht diese Serie weiter und wir dürfen noch einige neue Arbeiten erwarten?

 

Das Projekt hat 2015 begonnen. Einige Buchobjekte sind in der Benediktinerabtei Seckau entstanden. In weiterer Folge habe ich mehrmals die wunderbare Einladung als Artist in Residence von Kunst & Co in Millstatt bekommen und so sind bereits 4 Buchobjekte in Millstatt entstanden. Das Projekt wird auf jeden Fall weitergehen – es gibt zu viele wunderbare Gedichte, die ich noch bearbeiten möchte.

Frage 5

Es liegen nun 8 Kunstbücher vor, besondere Unikate – ein Ausstellungsstück jedes für sich… Überlegen Sie, ob diese Arbeiten Eingang in ein Buch finden, das Besucher und Interessierte mit nach Hause nehmen können?

Ja, tatsächlich möchte ich gerne mit einem Verlag die vorhandenen Buchobjekte in eine qualitätsvolle Vervielfältigung bringen, die es möglich macht, die Gedichte mit den Bildern zu Hause immer wieder zu lesen und zu studieren. Das Interesse bei den Ausstellungen ist sehr groß, dass ein derartiges Buch auf den Markt kommt.

Frage 6

In diesem Jahr, in dem sich der Todestag von Christine Lavant zum 50. Male jährt, sind einige Ausstellungen oder Veranstaltungen, in denen Sie ihr Projekt vorstellen, geplant? Lassen Sie unsere Leser:innen Anteil haben und verraten, was wo zu erwarten ist.

TRANSFORMATIONEN in Gedichten von CHRISTINE LAVANT

LUISE KLOOS

Ausstellung / Work in Progress
Galerie Kunst & Co Millstatt, Alte Schule

Im Rahmen der Triennale III Kärnten 2023 „schock.šok.shock“

Am Donnerstag, 21. September 2023 präsentiert Luise Kloos (Artist in Residence) ihr 8. Buch zu einem Gedicht von Christine Lavant. Sie arbeitet in der Galerie an neuen Bildern zu m Gedicht „Ich steh im Mondeshof auf einer Sternenspitze“ von Christine Lavant und gibt einen Einblick in ihre bisherige bildnerische Auseinandersetzung mit dem Werk von Christine Lavant.

Ausstellung geöffnet: Fr 1. Sept. bis Fr 22. Sept. 2023; Mo-Sa von 10-13h (So geschlossen)

oder nach tel. Vereinbarung: T 0699 1146 0941. www.luisekloos.at

Eintritt frei!

Donnerstag, 21. September 2023

Finissage um 17 Uhr

NEUESTES BUCHOBJEKT zu Christine Lavant von Luise Kloos

Galerie Kunst & Co Millstatt, Alte Schule

Artist Statement

Ich steh im Mondeshof auf einer Sternenspitze

Gedicht von Christine Lavant in 15 Bildern in Form eines Buchobjektes und Ausstellung

Christine Lavants Gedichte behandeln die vielschichtigsten Formen von Leid, Angst, Schrecken, Bitterkeit und Sehnsucht. Aber sie lässt uns mit diesen dunklen Winkeln der Seele nie allein, sondern bietet immer eine Transformation an. Dies führt uns als Leser in Zonen des Mitgefühls und der Empathie. In ihren wunderbaren Metaphern, Spracherfindungen und unerwarteten Wendungen bietet sie mir Inspiration für Buchobjekte, die ich seit 2015 entwickle.

Zur Triennale mit dem Thema „Schock“ ist gerade Christine Lavant mit ihrem gesamten Oeuvre eine Bestärkung, sich in jedem Fall dem Leben zuzuwenden und mit dem Erlittenen ein „köstliches Wunderbrot der Erde“ zu schaffen.