Triennale IIIKärnten 2023

Grenzüberschreitendes interdisziplinäres Kunstprojekt

Rhonda Lamberty

*1971 in Friesach (A)
Lebt und arbeitet in Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen (A)

LESUNG von KSV-Mitgliedern zum Projekt „Apoplixia II“

26. August 2023 – LESUNG von KSV-Mitgliedern zum Thema SCHOCK im Rahmen der Ausstellung Apoplixia II (Kunstwerk Krastal)
Es lesen: Rhonda Lamberty, Monika Grill, Michael Maicher, Tom Ackermann, Sieglind Demus, Dagmar Cechak, Karin Ch. Taferner, Johannes Tosin und Stefan Zefferer.
Moderation: Alfred Woschitz, KSV-Präsident
Als Thema für künstlerische Auseinandersetzungen bietet Schock ein breites Spektrum an Möglichkeiten für Künstler, um ihre Gedanken und Emotionen zu verarbeiten und auszudrücken. Zum Einsatz kommen verschiedene Medien und Techniken, um das Thema Schock zu behandeln. Insgesamt kann der Schock als Thema für künstlerische Auseinandersetzungen eine intensive Erfahrung für Künstler und Betrachter sein.

Artist Statement

Prolog

mir ist der schock früh begegnet

den eltern ins gesicht geschrieben

plötzlicher kindstod, ein leeres gitterbett

familiendrama auf lebenszeit

ich war zwei und wollte einfach rausgehen

weihnachten feiern, die schneeflocken sehen


Texte zur APOPLIXIA II

Schockverliebt

Mein Text nennt sich schockverliebt,
weil das die beste Form von Schock ist, die geschieht.
Wie eine Naturgewalt,
mit der man nicht gerechnet hat, dass es sie gibt.

Denn,

Geschockt ist in unserem Sprachgebrauch
Nur ein kurzes, leeres Wort, das Betroffenheit fabriziert
Ein Wort, das aus Angst und Empörung Dramen inszeniert.
Diese Art von Schock wird täglich zelebriert!

Doch,

Schock ist Stillstand ohne Reife
Schrecken in der Endlosschleife
Weil man den Boden unter den Füßen verliert,
während das Blut in den Adern gefriert .

Selbst,

Der Schock anderer Menschen bleibt im Gedächtnis bestehn:
Morandi-Brücke, Italien.
Wer von euch hat den blau-grünen LKW gesehen?
wer kann den Mann, der ihn lenkte, verstehen?

Luigi sah die Autos direkt vor sich in die Tiefe stürzen
Etwas sagte ihm: bremsen, den Rückwärtsgang einlegen!
Dann sprang er aus dem Fahrzeug im strömenden Regen.
Luigi lief und lief, bis ein Tunnel ihn beschützte.

Schocks wie diese ziehen tiefe Furchen in die Menschheitsgeschichte.
Statt der Synapsen, die einst wuchsen, nichts als kaputte Gerüste.
Wo einst Verbindungen blühten, sind plötzlich Schluchten zu finden.
Wer hat noch die Fähigkeit, das Grauen zu überwinden?

Wir alle wissen,

nach dem Schock bleiben Traumata bestehen,
doch anstatt auf immer und ewig die alten Pfade zu beklagen,
kann man auch die Wege der Erkenntnis gehen,
oder ganz leise „Hurra, wir leben noch!“ sagen.

….

Wenn ich einmal Gott spielen sollte,
dann werde ich den Schock verscheuchen von dieser Welt.
Wenn es so wäre, wie ich es wollte,
dann wären alle Anlässe, die dazu führten, einfach getilgt.

Kein Unrecht und keine Gewalttat mehr, kein böser Traum,
kein Anschlag, kein Erdbeben, keine Zerstörung von Lebensraum,
kein Vandalenakt, keine Exekution, kein Untergang der Titanic,
kein Unfall, keine Krankheit, nicht einmal eine Massenpanik.

Mein Text nennt sich schockverliebt,
weil das die beste Form von Schock ist, die es gibt.
Wie eine Naturgewalt,
von der man nur erhoffen kann, dass sie geschieht.

Bei mir, da würde es nur noch Schockverliebte geben,
die aus alten Geschichten neue Stoffe weben.
Wo sich aus dem Nichts neue Verbindungen auftun,
und Menschen, Tiere und Pflanzen in sich ruhen.

Schockverlieben heißt,

die Welt schöner machen, als sie ohne Schockverlieben wäre,
Sich schockverlieben ist besser als jede Affäre!
Sich schockverlieben in einen Menschen und in seine Beine,
sich schockverlieben in ein Kunstwerk oder in ganz gewöhnliche Steine.

Sich schockverlieben in das Laub eines Baumes im Wind,
oder in Wohnmobile, die durch die Landschaft fahren.
In einen Himbeergarten oder in Figuren, die gewillt sind,
sich gegenseitig bis ans Ende der Welt zu tragen.

 

Text: Rhonda Lamberty